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Offener Brief des OVs zur Feinstaubproblematik

Seit Jahren zählt Stuttgart zu den Stauhauptstädten in Deutschland. Trotz Umweltzonen und Feinstaub-Alarmtage werden die Grenzwerte - vor allem an der Messstation Neckartor überschritten. 

Wir haben uns deshalb mit einem Offenen Brief an Stuttgarts Oberbürgermeister gewandt, um die Problematik anzusprechen. 

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Kuhn,
sehr geehrte Damen und Herren der Stadtverwaltung und des Gemeinderats Stuttgart,
liebe Bürgerinnen und Bürger,

als Bürger der Region Stuttgart verärgert uns die tägliche Meldungslage in der Presse zur Feinstaubthematik vor Ort.

Stuttgart ist seit Jahren die Feinstaublunge Deutschlands. Es werden Statistiken zu der Zahl der Feinstaubtage und zum Ausmaß der Schadstoffbelastung geführt. In den Tageszeitungen steht dann auf der Titelseite die Warnung, es herrsche Feinstaubalarm - mit ungewissem Ende.

Täglich werden in Leserbriefen, Artikeln und Radiosendungen die Symptome der zunehmenden Luftbelastung beschrieben, tiefergehende Analysen und logische Schlussfolgerungen? Fehlanzeige.

Die Positiv-Meldung dieser Woche zu diesem Thema kam aus München: Als erste Großstadt in Deutschland hat München dem Bürgerbegehren für saubere Luft zugestimmt.

Dieses Schreiben soll Analysieren und Argumente liefern, um die seit einem Jahr eskalierte Situation möglichst rasch zu befrieden.

Was wurde in den vergangenen Jahren zur Eindämmung der Luftverschmutzung getan?

  • Es wird auf Brüssel und Berlin verwiesen, die Gesetze erlassen sollen, um z.B. Fahrverbote rechtfertigen zu können.
    • Nutzen: Gering. Potenzial: Gering
  • Es wurden Umweltzonen eingerichtet. Als Autofahrer zahlen wir Geld für farbige Plaketten, die kaum überprüft werden.
    • Nutzen: Gering. Potenzial: Gering.
  • Kommunen wie Stuttgart appellieren an die Vernunft der Autofahrer und bitten diese an Feinstaubtagen freiwillig ihre Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor stehen zu lassen und auf den Nahverkehr umzusteigen.
    • Nutzen: Gering. Potenzial: Mittel.
  • Immer mehr Kommunen richten Tempo-30-Zonen ein, die wenig überwacht werden.
    • Nutzen: Gering. Potenzial: Mittel.
  • Kommunen wie Stuttgart kooperieren mit Firmen vor Ort und bieten ein Jobticket an.
    • Nutzen: Groß. Potenzial: Groß.
  • Die Stadt Rom bietet das Nahverkehrsticket von einem Ende zum anderen in 100 Minuten für nur 1,50 Euro an.
    • Nutzen: Groß. Potenzial: Groß.
  • Die Stadt Oslo hat vor einigen Tagen ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge an einem Feinstaubtag angeordnet.
    • Nutzen: Groß. Potenzial: Groß.
  • Kommunen wie Darmstadt bauen in Zusammenarbeit mit dem örtlichen Stromversorger, oder der Industrie eine Lade-Infrastruktur für Elektrofahrzeuge auf.
    • Nutzen: Groß. Potenzial: Groß.

Man sieht, dass die ersten Schritte sehr ineffektiv waren. Die vier letztgenannten Punkte sind jedoch erste aktive Schritte aus jüngster Vergangenheit, die eine Bewältigung der jährlich zunehmenden Luftverschmutzung - bedingt durch den zunehmenden Verkehr an Land, zu Wasser und in der Luft - in Aussicht stellen.

Was kann die Region Stuttgart und die Landeshauptstadt mit Vorbildfunktion tun?

  • Es sollte während einer Feinstaubphase für 24 Stunden alle drei Tage ein Verbot des Führens eines Fahrzeugs mit Verbrennungsmotor (PKW, LKW, Taxi, Lieferfahrzeuge, Schiffe) und ein Verbot des Betreibens von Kaminen in Wohnungen erlassen und überprüft werden. Die Luft im Talkessel Stuttgart kann nicht innerhalb eines Tages entlüftet werden, jedoch würde die Schadstoffbelastung weniger stark ansteigen und ein Ende einer Feinstaubperiode beschleunigt.
  • Es sollte rasch auf Elektromobilität umgestellt werden. Dass Taxis ganztägig mit laufendem Motor in Städten stehen, ist ein Anachronismus. Dass Stuttgart dies duldet, ist nicht hinnehmbar. Die Deutsche Post elektrifiziert seit einem Jahr seine Fahrzeugflotte - auch in Stuttgart. Dies hat sich als kostengünstig und effektiv herausgestellt. Wenn andere Firmen - auch Handwerker - diesem Beispiel nicht folgen, sollte ein Konzept erarbeitet werden, um diese Umstellung einzuleiten. Was tut Stuttgart, um mit der Industrie und Mineralölbranche eine Lade-Infrastruktur für Elektrofahrzeuge aufzubauen? Wie sieht das Konzept für die Umstellung des Busverkehrs aus? Welches Konzept ist in der Region Stuttgart angedacht, um den ÖPNV auszubauen und günstigere Tickets anzubieten - siehe das o.g. Beispiel Rom? Welches Konzept ist angedacht, um Güter von der Straße auf die Schiene zu bringen?

Um das Thema Elektromobilität umzusetzen, könnte die Stadt Stuttgart gemeinsam mit der Industrie die Feinstaubtage zu einer Probefahrt- und Verkaufsveranstaltung für Elektrofahrzeuge ummünzen. Davon ginge eine starke Signalwirkung aus, alle würden profitieren.

Stuttgart unter der Ägide des Bündnis 90 / Die Grünen und als Hauptstadt des von Herrn Ministerpräsident Winfried Kretschmann geführten Bundeslandes Baden-Württemberg muss im BundestagsWahlkampfjahr 2017 die Prioritäten für die herausfordernden Themen des 21. Jahrhunderts richtig setzen: Die Gesundheit der Bevölkerung und deren Zusammenhalt sollten an erster Stelle stehen. Der gesunde Menschenverstand schützt auch die Umwelt. Ein Kranker ist allein mit sich selbst beschäftigt.

Als Bürgerinnen und Bürger der Region Stuttgart fordern wir energische Schritte, um bald wieder durchatmen zu können.

 

Mit freundlichen Grüßen,

Dieter Ackermann Vorstand
Ortsverband der Bündnis 90 / Die Grünen Neckar-Stromberg   

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